Depressions-App

app

Psychologen und IT-Experten arbeiten an einer Therapie-App für Smartphones. Eine solche App soll die Psychotherapie ergänzen, wenn nicht sogar ersetzen können.

Ein kostenloses Handy-Programm bietet seit einiger Zeit das U.S. Department of Veterans Affairs (Kriegsveteranen Ministerium) für ihre Soldaten an. Veteranen mit PTSD (Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS, engl.: PTSD)) können sich das Programm herunterladen. Der Umgang mit den Symptomen soll im Alltag damit erleichtert werden. Mit einem Klick wird der „PTSD-Coach“ gestartet und die psychotherapeutischen Übungen beruhigen und lenken den Betroffenen ab. Die App hilft mit einer Selbsthilfe-Hotline oder einem engen Vertrauten bei einem Notfall in Kontakt zu treten. Diese App wird laut US-Ministerium von etwa 50.000 Menschen bereits genutzt. Eine neue Ära in der Psychotherapie findet womöglich ihren Beginn.

Therapie-Apps sollen sich bald im Alltag bewähren und zahlreiche Vorteile bieten. Die derzeit nur in Studien eingesetzten Apps sollen von Alltagsstress bis hin zu Schizophrenie, schnelle Hilfe bieten. Auch in der Prävention, dem Therapieersatz aber auch zum Überbrücken bis ein Platz gefunden wird ist diese App einsatzfähig. Der Gang zum Psychotherapeuten ist ja schon eine Überwindung für manche. Dies ist vielleicht für den Ein oder Anderen eine guter Anfang und Unterstützung um den Gang zur professionellen Hilfe zu erleichtern. Man kann den Betroffenen langsam mit Hilfe der App an eine Psychotherapie heranführen. „Die Forschung hat gezeigt, dass Soldaten mit PTSD eine Behandlung scheuen, weil sie sich oftmals schämen“, sagt Julia Hoffman, Psychologin am National Center for PTSD, einem Institut des US-Ministeriums. Sich anonym anmelden und die App ausprobieren erleichtert den Schritt in eine richtige Therapie, da das Schamgefühl welches viele haben erst gar nicht entsteht.

Die Psychologin Margaret Morris forscht derzeit für Intel an einer Handy-Anwendung, welche den täglichen Stresspegel senken soll. „Wann immer jemand Probleme hat, sich mit etwas herumquält, soll diese Person psychologische Unterstützung erhalten – auch ohne, dass eine psychische Störung vorliegt. Mit Apps ist das möglich“, sagt sie.

Für schon in Behandlung befindende Patienten kann eine solche App unterstützend sein. Therapeutische Übungen und Tagebücher via App könnten bei der Therapie positiv wirken. Jugendliche führen ihre Therapiehausaufgaben viel zuverlässiger aus, wenn sie ihr Handy hierfür nutzen können, wie eine Studie hierzu zeigt.

Das Team um Stephanie Bau vom Universitätsklinikum Heidelberg entdeckte vor Zehn Jahren die Therapieunterstützung durch das Handy. Patienten welche z. B. an einer Essstörung leiden, können hiermit Tagebuch führen. Das Tagebuch hilft auch nach dem Klinikaufenthalt nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurück zu fallen.

Während in Deutschland und Europa Internet- und Handyprogramme zur Vorbeugung von Essstörungen und Unterstützung bei Depressionen im Visier der Forschung stehen, ist der Trend in den US die App, die auf die Stimmung der Betroffenen von alleine reagiert. Hierbei werden von Sensoren an den Fußgelenken und der Brust drastisch ansteigender Puls oder schwitzige Haut – Stresssymptome die darauf hinweisen dass sich der Betroffene aufregt, sofort registriert und durch ein Signal ans Handy gesendet. Eine therapeutische Nachricht erscheint, durch die der Betroffene beruhigt werden soll. Eine Forschungsgruppe aus Massachusetts arbeitet derzeit an einer solchen Anwendung für PTSD Betroffene.

Der deutsche Psychotherapieforscher Martin Bohus untersucht am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim den Einsatz der Apps bei PTSD. „Die Patienten lernen in der Therapie vor allem den Umgang mit ihren Emotionen. Das ist sehr komplex, etwa wie Klavierspielen lernen. Einmal pro Woche übt man mit dem Klavierlehrer. Aber allein von den paar Stunden mit ihm wird man die filigranen Fingerbewegungen nicht erfolgreich lernen“, erklärt Bohus. „Man muss zwischen den Terminen immer wieder trainieren.“

Im Harvard University entwickeln Psychologen die mobile Version eines Aufmerksamkeitstrainings, welche in der Behandlung von sozialen Ängsten eingesetzt werden kann. Probanden sollen in einer Studie dreimal täglich knapp zwei Minuten mit dem Programm auf ihrem Smartphone üben. Die Angstsymptome nahmen im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Training, deutlich ab.

Wird der Therapeut also nutzlos? Eher nicht, sagt Harvard-Psychologe Philip Enock: „Vielen Patienten ist der Kontakt zu einem menschlichen Therapeuten wichtig. Und den Beweis, dass die App allein wirkt, haben wir noch nicht geliefert.“

Vorbeugend, therapiebegleitend oder als Therapeutenersatz sind Apps vor allem: kostengünstig. Für Enock ist das einer der entscheidenden Vorteile. „Um Millionen Menschen mit Psychotherapie zu behandeln, benötigt man Tausende Therapeuten. Um die gleiche Menschenzahl mit einer App zu behandeln, benötigt man einige Forscher und einen Software-Spezialisten.“

Der Psychotherapieforscher Bohus schätzt die Kosten zur Entwicklung einer einzigen App auf mehrere hunderttausend Euro. Hierzulande will aber keiner eine solche Summe investieren, da kaum eine Krankenversicherung eine Behandlung mit solchen Programmen bezahlen würde. „In Deutschland ist die Psychotherapie noch sehr traditionell“, sagt Bohus. „Nicht einmal Online-Therapie wird von Krankenkassen bezahlt, obwohl diese schon seit Jahren in der Forschung Erfolge zeigt.“

Auch in Deutschland wird eine solche Handy-Anwendung bald unabdingbar werden, glaubt der Psychiater. „Der Trend geht zur gestuften Versorgung: Bevor jemand eine ambulante Therapie erhält oder gar in einer Klinik therapiert wird, werden dem Betroffenen niedrigschwelligere Maßnahmen angeboten. Dazu zählen dann Selbsthilfegruppen und eines Tages sicherlich auch Apps.“

 

Quellen:

Spiegel Online